2018/05/03 Konzertkritik: Thirty Seconds To Mars – Monolith Tour

He can’t walk on water – Die große Jesus-Show des Jared Leto

Auf ihrer aktuellen Monolith-Tour machten die Kalifornier Thirty Seconds To Mars gestern Halt in Hamburg. Diese Show wollten wir uns nicht entgehen lassen. Mit ihrem aktuellen Album America im Gepäck spielten die Alternative Rocker um Frontmann Jared Leto in der vollen Barclaycard Arena und zeigten, was in ihnen steckt.

Eine Bühne wie ein geschlossener Käfig. Dunkel und abweisend. Tausende Zuschauer warten ungeduldig auf den Beginn des Konzerts. Immer wieder laufen auf großen Bildschirmen zwei Werbeclips in Dauerschleife. Dazu die Aufforderung, Jared Letos Instagram-Profil zu followen. Sonst passiert lange Zeit – nichts.

Thirty Seconds To Mars haben gerade ihren aktuellen Longplayer „America“ veröffentlicht, der eine aktuelle Lagebeschreibung des Landes darstellen soll, inklusiver kritischer Botschaften an Donald Trumps Präsidentschaft. Wie politisch wird das Konzert werden? Welche Message wird uns die Band mitteilen?

Ein tiefer Basston legt sich über die Halle, der Spannung erzeugen soll. Begleitet von Bodyguards und Roadies nähert sich eine Gestalt vom dunklen Backstagebereich der Bühne, gekleidet wie ein Boxer mit tief hängender Kapuze, und verschwindet im Inneren des Bühnenkäfigs. Der Basston dröhnt vor sich hin, wird lauter und lässt den Magen dumpf vibrieren.

Die Show beginnt. Zu den Klängen von „Monolith“, einem Intermezzo-Stück des aktuellen Albums, öffnet sich die Büchse der Pandora. Da ist er, der schillernde Star, und singt die ersten Zeilen von Up In The Air. Hinter ihm sein Bruder Shannon am Drumset. Moment, wo ist der Rest der Band? Der Blick wandert weiter zur hintersten Ecke des Käfigs, wo der Ersatzmann für den im März aus der Tour ausgeschiedenen Tomo Miličević so tief positioniert ist, dass sein Kopf gerade über den Käfigboden ragt. Als ob Jared sagen würde: Die Bühne, das bin ich.

Brav singt das Publikum die Oh-Oh-Refrains der Ohrwürmer „Kings and Queens“, „Search and Destroy“ und „This is War“ mit. Fahnenträger schwenken die typischen Band-Flaggen im Publikum – später stellen sie sich als Teil der Choreografie heraus. Jared ist stimmlich in guter Form, er wuselt hin und her, und er weiß, das Publikum zu unterhalten. Gleichzeitig macht er klar, dass es hier um ihn geht, um niemanden sonst. Er holt Fans auf die Bühne, die ihn umarmen dürfen und fassungslos Fotos mit ihren Smartphones machen.

Ganz wichtig ist Jared auch der Hinweis auf seinen Instagram-Account, für den er extra eine Botschaft vom Publikum einjubeln lässt. So viel Zeit für die Imagepflege muss sein. Halt, wo sind eigentlich die Songs vom neuen Album? Was hat die Band für Botschaften im Jahr 2018? Jared ruft: „Hallo Hamburg! I love German bread!“ und schwingt dabei eine Deutschlandfahne. Den Zuschauern gefällt’s, die Stimmung ist gut, die Menge johlt.

Shannon wirkt am Drumset genervt und nicht ganz fit, später ist zu lesen, dass er erkältet war. Das ist aber nicht schlimm, auch er ist nur Beiwerk in dieser Jared-Show. Der Großteil der Beats, der Chöre und der Instrumente kommt sowieso vom Band. Der Tomo-Ersatz ist noch der aktivste Musiker und macht seine Sache an den Keys und der Gitarre sehr gut – leider ist er vom Großteil des Publikums gar nicht zu sehen.

Alles wirkt künstlich, routiniert, der Funke will bei uns nicht überspringen. Die Fahnenträger, die Chöre und Beats vom Band: nichts davon ist echt. Ist das noch eine Rockband? Oder überhaupt eine Band? Jared hat sich mittlerweile unter dem entzückten Kreischen des Publikums seiner Sonnenbrille und seines Mantels entledigt. Am Schluss des Konzerts ertönen die Playback-Chöre der aktuellen Single „Walk on Water“. Jared lässt sich wie ein Jesus feiern. „Do you believe that you can walk on water?“ Er kann es nicht.

 


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