2018/01/31 Konzertkritik: Steel Panther im Mehr! Theater Hamburg

Willkommen im Hair-Metal-Zirkus!

Glam Rock und Hair Metal – war das nicht die längst vergessene Zeit von Spandexhosen, Haarspray, Lockenwicklern und Haarperücken, eine Zeit, die heute nur noch belächelt wird? Ja und nein, denn wer einmal einem Konzert der Band Steel Panther beiwohnt, fühlt sich direkt in diese Zeit der 1980er zurückversetzt.

Dabei haben die Kalifornier es geschafft, einen (falschen) Gründungsmythos zu erfinden, laut dem sie seit Ende der 1980er Jahre in Las Vegas aufgetreten sind, bis sie wiederentdeckt wurden. Auch ansonsten nehmen die vier sympathischen Musiker viele Klischees des Genres gekonnt auf die Schippe, etwa mit ihren übertriebenen Outfits oder mit Songtexten wie diesen: „Cause my heart belongs to you / My love is pure and true / My heart belongs to you / But my cock is community property“.

Und wenn Leadgitarrist Satchel die Besucher der fast ausverkauften Halle im Mehr! Theater mit „Hello Spermburg!“ und „Isch habe einen Stander!“ begrüßt, ist man auf dem richtigen Niveau angekommen. Dass das Ganze eine Parodie ist, ist eigentlich offensichtlich, wird aber nie aufgelöst, und der Zuschauermenge gefällt es offensichtlich. Die Huldigung der 1980er startet mit Songs des aktuellen vierten Longplayers Lower The Bar, technisch äußerst sicher und gekonnt vorgetragen.

Die Performance der Band stimmt: Die beiden Frontmänner Michael Starr (Leadgesang) und Satchel (Leadgitarre, Gesang) sind gut drauf und unterhalten das Publikum auch zwischen den Songs mit minutenlangen, aber kurzweiligen Gesprächen über die Reeperbahn, die Schönheit der anwesenden weiblichen Konzertbesucher oder die Verkaufszahlen des aktuellen Albums.

Das ist pures Entertainment, und die Kalifornier machen ihre Sache sehr gut. Die Routine ist der Band anzumerken – gefühlt ist es der zehnte Auftritt in Hamburg in den letzten fünf Jahren – aber der Spaß und die Freude, die Michael Starr, Lexi Foxx und co. jederzeit ausstrahlen, sind echt. Diese Truppe ist für die Bühne geboren, und mit ihrer Mischung aus schlüpfrigen Sexwitzen, guten Glam-Metal-Songs mit aberwitzigen Songtexten und spontanen Showeinlagen haben sie die Zuschauer während des ganzen etwa 100minütigen Sets komplett im Griff.

Eine dieser Showeinlagen etwa ist das spontan angestimmte Liebeslied auf eine im Vorfeld ausgesuchte weibliche Konzertbesucherin mit dem Namen Julia, die auf die Bühne geholt wird – jedes Bandmitglied interpretiert den Song anders und mit unterschiedlichem, natürlich unter die Gürtellinie gehenden Wortwitz. Julia scheint es zu gefallen. Genau wie den etwa 30 Zuschauerinnen, die zum Song „17 Girls In A Row“ auf die Bühne gelassen werden und ausgelassen mitfeiern und -singen.

Dennoch ist ein Steel-Panther-Konzert auch wie der wiederholte Konsum immer derselben Folge einer Sitcom: Der Witz nutzt sich einfach ab, egal wie gut die Folge ist. Abnutzungserscheinungen zeigt etwa auch das aktuelle Album Lower The Bar: technisch hervorragend und grundsolide, aber die großen Hits fehlen. Den meisten Anklang aus diesem Longplayer findet noch der Song „That’s When You Came In And Blew Me (Away)“, doch die Klassiker wie „Party All Day“, „Asian Hooker“ und der unvermeidliche Abräumer „Community Property“ finden mit Abstand den meisten Beifall im Mehr! Theater.

Dennoch veranstaltet Steel Panther keinen Klamauk, weil der Band die Liebe zur großen Glam- und Hair-Metal-Zeit jederzeit anzumerken ist und sie handwerklich meisterhaft und mit großer Entertainment-Gabe zu gut performt, als das Ganze als Quatsch abzutun. Vielleicht hilft ein Vergleich mit der von der Band so verehrten Reeperbahn: Das Konzert ist eine geschmacklos-schlüpfrige Zirkusshow mit ganz viel Humor unterhalb der Gürtellinie. Gleichzeitig aber veranstaltet diese Band immer noch die großartigste Glam-Metal-Party mit dem Esprit der glorreichen 80er, die man derzeit feiern kann.