2019/11/30 Albumrezension: Skyline – Uncovered

Eine nostalgische, aber sympathische Zeitreise für alle Hard‘n’Heavy-Fans

Mit Uncovered veröffentlicht die Wacken-Band Skyline ihr erstes Album nach 30 Jahren Bandgeschichte. Klar, dass hier ein Abgesang auf die glorreichen Zeiten erfolgt, der dem Hard Rock und Metal der letzten Jahrzehnten huldigt. Das Rad wird hier nicht neu erfunden, ganz im Gegenteil. Aber gerade das ist irgendwie sympathisch.

Das Wacken Open Air Festival, das seit 1990 jährlich zur Rock- und Metal-Huldigung auf die Kuhwiesen Norddeutschlands lädt und dabei Zehntausende Gäste aus aller Welt erwartet, ist das Aushängeschild der Metalszene schlechthin. Und kaum eine Band ist mit Wacken so eng verknüpft wie Skyline.

Und nun bringt diese Band über 30 Jahre nach ihrer Gründung ihr erstes (!) Album mit Eigenkompositionen heraus. Passend dazu der Albumtitel: Uncovered. Was erwartet uns hier? Natürlich, eine Menge harter Gitarrenwände, Metal-Riffs und Hard Rock der alten Schule. Gesungen wird das Ganze von den ordentlichen Leadsängern Henning Basse und Dan Hougesen, die die zehn Songs manchmal eine Spur zu routiniert eingesungen haben.

Skyline ist nämlich nicht irgendeine Band, sondern die Wacken-Band schlechthin: Traditionell der Opener des Festivals, wurde die seit Mitte der 1980er-Jahre existierende Coverband einst von Thomas Jensen mitbegründet, der bis heute einer der beiden Köpfe der Festivalorganisation ist und Wacken von einem kleinen Dorf im norddeutschen Nirgendwo zu einer weltweiten Kultmarke gemacht hat. Auch wenn Jensen kein Mitglied der Band mehr ist, besteht die enge Verflechtung von Skyline mit dem Wacken Open Air bis heute.

Stilistisch erfindet Uncovered das Rad nicht neu, zeigt sich aber durchaus vielseitig: Von Hard Rock über AOR und True Metal bis zu Nu-Metal-Ausflügen zeigt die Band eindrucksvoll, was sie in 30 Jahren als Rock- und Metal-Coverband gelernt hat. Denn wen interessieren schon die Trends von heute? Zu hören sind straighte, ehrliche Festivalhymnen und ordentliche Gitarren-Bretter, zu denen auch der Metal-Frührentner nochmal ein bisschen abhotten oder sein Bierglas schwingen und dazu mitgröhlen kann.

Der Album-Opener 30 Years Ago ist ein Midtempo-Stampfer mit gelungener Mitsing-Hookline. Der Song schwelgt in Erinnerungen als Metal und Hard Rock Hochkonjunktur hatten und Rockstars weltweit Arenen füllten, Millionen von Jugendlichen elektrisierten und die Charts anführten. Der Song ist zugleich eine Hommage an das legendäre Wacken Open Air: Vor fast 30 Jahren stieg die erste Ausgabe des Festivals.

Es gibt aber auch Gesellschaftskritik und Pessimismus (Crawling into Your Mind), rotzige Rock’n’Roll-Momente ala Danko Jones (Sell Your Soul), Nu Metal in This Is W:O:A und modernere Ansätze in Kill The Queen, der eine tolle Hookline hat. Trotzdem bleibt es insgesamt auf dem Album bei altbewährten Rezepten des Rock’n’Roll: Ein gemäßigter Keyboard-Einsatz und die klassische Besetzung einer Hard-Rock-Band sorgen für dicke Gitarrenwände und Mitnick-Reaktionen. Die Songs sind meist im Midtempo gehalten und weisen übliche Songstrukturen und eingängige Refrains auf. Man weiß, was man serviert bekommt: Hard-Rock-Handwerk von eingefleischten Szenegängern, die ihr Handwerk verstehen. Das sind nostalgische Erinnerungen an glorreiche Zeiten, als Rock noch Rebellion und Metal Provokation war. Heute ist das mehr ein Nachhall, eine aufgewärmte Ü40-Party für die Junggebliebenen unter uns. Aber wen interessieren denn Trends, Moden oder gar Revolutionen? Skyline sicherlich nicht. Hier wird eine handfeste Hard-Rock-Party wie vor 30 Jahren gefeiert, als hätte es Cloud Rap, Smartphones, E-Autos oder Virtual Reality nie gegeben. Irgendwie sympathisch.

Anspieltipps: 30 Years Ago, Kill The Queen, This Is W:O:A


2018/01/31 Konzertkritik: Steel Panther im Mehr! Theater Hamburg

Willkommen im Hair-Metal-Zirkus!

Glam Rock und Hair Metal – war das nicht die längst vergessene Zeit von Spandexhosen, Haarspray, Lockenwicklern und Haarperücken, eine Zeit, die heute nur noch belächelt wird? Ja und nein, denn wer einmal einem Konzert der Band Steel Panther beiwohnt, fühlt sich direkt in diese Zeit der 1980er zurückversetzt.

Dabei haben die Kalifornier es geschafft, einen (falschen) Gründungsmythos zu erfinden, laut dem sie seit Ende der 1980er Jahre in Las Vegas aufgetreten sind, bis sie wiederentdeckt wurden. Auch ansonsten nehmen die vier sympathischen Musiker viele Klischees des Genres gekonnt auf die Schippe, etwa mit ihren übertriebenen Outfits oder mit Songtexten wie diesen: „Cause my heart belongs to you / My love is pure and true / My heart belongs to you / But my cock is community property“.

Und wenn Leadgitarrist Satchel die Besucher der fast ausverkauften Halle im Mehr! Theater mit „Hello Spermburg!“ und „Isch habe einen Stander!“ begrüßt, ist man auf dem richtigen Niveau angekommen. Dass das Ganze eine Parodie ist, ist eigentlich offensichtlich, wird aber nie aufgelöst, und der Zuschauermenge gefällt es offensichtlich. Die Huldigung der 1980er startet mit Songs des aktuellen vierten Longplayers Lower The Bar, technisch äußerst sicher und gekonnt vorgetragen.

Die Performance der Band stimmt: Die beiden Frontmänner Michael Starr (Leadgesang) und Satchel (Leadgitarre, Gesang) sind gut drauf und unterhalten das Publikum auch zwischen den Songs mit minutenlangen, aber kurzweiligen Gesprächen über die Reeperbahn, die Schönheit der anwesenden weiblichen Konzertbesucher oder die Verkaufszahlen des aktuellen Albums.

Das ist pures Entertainment, und die Kalifornier machen ihre Sache sehr gut. Die Routine ist der Band anzumerken – gefühlt ist es der zehnte Auftritt in Hamburg in den letzten fünf Jahren – aber der Spaß und die Freude, die Michael Starr, Lexi Foxx und co. jederzeit ausstrahlen, sind echt. Diese Truppe ist für die Bühne geboren, und mit ihrer Mischung aus schlüpfrigen Sexwitzen, guten Glam-Metal-Songs mit aberwitzigen Songtexten und spontanen Showeinlagen haben sie die Zuschauer während des ganzen etwa 100minütigen Sets komplett im Griff.

Eine dieser Showeinlagen etwa ist das spontan angestimmte Liebeslied auf eine im Vorfeld ausgesuchte weibliche Konzertbesucherin mit dem Namen Julia, die auf die Bühne geholt wird – jedes Bandmitglied interpretiert den Song anders und mit unterschiedlichem, natürlich unter die Gürtellinie gehenden Wortwitz. Julia scheint es zu gefallen. Genau wie den etwa 30 Zuschauerinnen, die zum Song „17 Girls In A Row“ auf die Bühne gelassen werden und ausgelassen mitfeiern und -singen.

Dennoch ist ein Steel-Panther-Konzert auch wie der wiederholte Konsum immer derselben Folge einer Sitcom: Der Witz nutzt sich einfach ab, egal wie gut die Folge ist. Abnutzungserscheinungen zeigt etwa auch das aktuelle Album Lower The Bar: technisch hervorragend und grundsolide, aber die großen Hits fehlen. Den meisten Anklang aus diesem Longplayer findet noch der Song „That’s When You Came In And Blew Me (Away)“, doch die Klassiker wie „Party All Day“, „Asian Hooker“ und der unvermeidliche Abräumer „Community Property“ finden mit Abstand den meisten Beifall im Mehr! Theater.

Dennoch veranstaltet Steel Panther keinen Klamauk, weil der Band die Liebe zur großen Glam- und Hair-Metal-Zeit jederzeit anzumerken ist und sie handwerklich meisterhaft und mit großer Entertainment-Gabe zu gut performt, als das Ganze als Quatsch abzutun. Vielleicht hilft ein Vergleich mit der von der Band so verehrten Reeperbahn: Das Konzert ist eine geschmacklos-schlüpfrige Zirkusshow mit ganz viel Humor unterhalb der Gürtellinie. Gleichzeitig aber veranstaltet diese Band immer noch die großartigste Glam-Metal-Party mit dem Esprit der glorreichen 80er, die man derzeit feiern kann.