2018/07/13 Konzertreview: Anderson .Paak & The Free Nationals – Columbiahalle

Die Columbiahalle in Berlin ist brechend voll. Das Publikum so bunt gemischt, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen habe – vom Instagram Teenie bis zum Biologie Lehrerin Mitte 60 ist alles dabei. Gute Musik verbindet halt. Ich finde es gut und freue mich auf das Konzert.

Um kurz nach 21 Uhr geht es los: Anderson .Paak & The Free Nationals betreten gut gelaunt die Bühne und legen los. Die Stimmung in der Halle schießt nach oben, die Menge geht ab und entspricht nicht wirklich dem Songtitel „Come Down“. Man merkt der Band die Spielfreude richtig an und Anderson .Paak spürt, dass das Publikum ihm komplett aus der Hand frisst, und somit gibt der energiegeladene Frontmann den Animateur und dirigiert das Publikum nach links, rechts und zum Mitsingen. Sie folgen willig. Er springt auf und ab, tanzt und wirbelt über die Bühne.

 

Der Sound ist leider nicht ganz so gut. Die Gitarre ist zum Teil kaum zu hören und der Bass etwas schwammig, so dass der Funk etwas untergeht. Bei anderen Tracks kommen sie dann lauter, somit ist es immer ein auf und ab.

Die Musik allerdings ist, wie erwartet, phänomenal und einzigartig. Eine großartige Mischung aus HipHop, Soul, R&B, Rock, Funk und ab und an etwas Psychedelic. Aber über allem steht der coole West Coast Vibe, der einen sofort erfasst und nicht loslässt. Während des ganzen Konzerts ist die Menge gut gelaunt und feiert.

Anderson .Paak rappt, singt und dann kommt der Moment, in dem er hinter die Drums springt und spielt, als gäbe es kein Morgen. Der Musik gibt es noch den Extrakick und Groove. Ein echtes Multitalent!

Nach knapp 70 Minuten verabschiedet sich die Band, um dann nach lautem Anfeuern zurück zu kommen um die Zugabe zu spielen. Und die hat es in sich. Bei „Am I Wrong“ geht das Publikum nochmal richtig ab und bei „Luh You“ gibt die Band die Liebe zurück, die das Publikum ihr den ganzen Abend entgegengebracht hat. Die Menge bedankt sich, indem sie nochmal richtig ausgelassen feiert. Ein Mal verlassen Anderson .Paak & The Free Nationals nochmal die Bühne, um danach wirklich das letzte Stück zu spielen.

„The Dreamer“ ist eine Message und ein Statement – „Don’t stop now, keep dreaming“ – und der perfekte Abschluss eines großartigen Konzerts. Was bleibt, ist die Musik!


2018/05/03 Konzertkritik: Thirty Seconds To Mars – Monolith Tour

He can’t walk on water – Die große Jesus-Show des Jared Leto

Auf ihrer aktuellen Monolith-Tour machten die Kalifornier Thirty Seconds To Mars gestern Halt in Hamburg. Diese Show wollten wir uns nicht entgehen lassen. Mit ihrem aktuellen Album America im Gepäck spielten die Alternative Rocker um Frontmann Jared Leto in der vollen Barclaycard Arena und zeigten, was in ihnen steckt.

Eine Bühne wie ein geschlossener Käfig. Dunkel und abweisend. Tausende Zuschauer warten ungeduldig auf den Beginn des Konzerts. Immer wieder laufen auf großen Bildschirmen zwei Werbeclips in Dauerschleife. Dazu die Aufforderung, Jared Letos Instagram-Profil zu followen. Sonst passiert lange Zeit – nichts.

Thirty Seconds To Mars haben gerade ihren aktuellen Longplayer „America“ veröffentlicht, der eine aktuelle Lagebeschreibung des Landes darstellen soll, inklusiver kritischer Botschaften an Donald Trumps Präsidentschaft. Wie politisch wird das Konzert werden? Welche Message wird uns die Band mitteilen?

Ein tiefer Basston legt sich über die Halle, der Spannung erzeugen soll. Begleitet von Bodyguards und Roadies nähert sich eine Gestalt vom dunklen Backstagebereich der Bühne, gekleidet wie ein Boxer mit tief hängender Kapuze, und verschwindet im Inneren des Bühnenkäfigs. Der Basston dröhnt vor sich hin, wird lauter und lässt den Magen dumpf vibrieren.

Die Show beginnt. Zu den Klängen von „Monolith“, einem Intermezzo-Stück des aktuellen Albums, öffnet sich die Büchse der Pandora. Da ist er, der schillernde Star, und singt die ersten Zeilen von Up In The Air. Hinter ihm sein Bruder Shannon am Drumset. Moment, wo ist der Rest der Band? Der Blick wandert weiter zur hintersten Ecke des Käfigs, wo der Ersatzmann für den im März aus der Tour ausgeschiedenen Tomo Miličević so tief positioniert ist, dass sein Kopf gerade über den Käfigboden ragt. Als ob Jared sagen würde: Die Bühne, das bin ich.

Brav singt das Publikum die Oh-Oh-Refrains der Ohrwürmer „Kings and Queens“, „Search and Destroy“ und „This is War“ mit. Fahnenträger schwenken die typischen Band-Flaggen im Publikum – später stellen sie sich als Teil der Choreografie heraus. Jared ist stimmlich in guter Form, er wuselt hin und her, und er weiß, das Publikum zu unterhalten. Gleichzeitig macht er klar, dass es hier um ihn geht, um niemanden sonst. Er holt Fans auf die Bühne, die ihn umarmen dürfen und fassungslos Fotos mit ihren Smartphones machen.

Ganz wichtig ist Jared auch der Hinweis auf seinen Instagram-Account, für den er extra eine Botschaft vom Publikum einjubeln lässt. So viel Zeit für die Imagepflege muss sein. Halt, wo sind eigentlich die Songs vom neuen Album? Was hat die Band für Botschaften im Jahr 2018? Jared ruft: „Hallo Hamburg! I love German bread!“ und schwingt dabei eine Deutschlandfahne. Den Zuschauern gefällt’s, die Stimmung ist gut, die Menge johlt.

Shannon wirkt am Drumset genervt und nicht ganz fit, später ist zu lesen, dass er erkältet war. Das ist aber nicht schlimm, auch er ist nur Beiwerk in dieser Jared-Show. Der Großteil der Beats, der Chöre und der Instrumente kommt sowieso vom Band. Der Tomo-Ersatz ist noch der aktivste Musiker und macht seine Sache an den Keys und der Gitarre sehr gut – leider ist er vom Großteil des Publikums gar nicht zu sehen.

Alles wirkt künstlich, routiniert, der Funke will bei uns nicht überspringen. Die Fahnenträger, die Chöre und Beats vom Band: nichts davon ist echt. Ist das noch eine Rockband? Oder überhaupt eine Band? Jared hat sich mittlerweile unter dem entzückten Kreischen des Publikums seiner Sonnenbrille und seines Mantels entledigt. Am Schluss des Konzerts ertönen die Playback-Chöre der aktuellen Single „Walk on Water“. Jared lässt sich wie ein Jesus feiern. „Do you believe that you can walk on water?“ Er kann es nicht.